Warum Blasen im Lack entstehen und was du dagegen tun kannst
Jeder, der lackiert, kennt den Ärger: Deine Arbeit ist fast abgeschlossen, die Oberfläche sieht perfekt aus, doch nach einiger Zeit entstehen unschöne Blasen im Lack. Dieses Phänomen ist nicht nur extrem frustrierend, es macht auch Stunden an sorgfältiger Arbeit zunichte. Solche Blasen sind mehr als nur ein kleiner Schönheitsfehler. Sie sind ein klares Anzeichen dafür, dass im Lackierprozess etwas grundlegend schiefgelaufen ist. Oft ist die Enttäuschung groß, besonders weil der Fehler erst sichtbar wird, wenn man glaubt, alles richtig gemacht zu haben.
Eine häufige Ursache für diesen Defekt ist im Lack eingeschlossene Feuchtigkeit. Wasser kann auf vielfältige Weise in den Lackaufbau gelangen und dort unbemerkt bleiben, bis es zu spät ist. Es wirkt im Verborgenen und entfaltet seine zerstörerische Kraft erst unter dem fertigen Lackfilm. Aber keine Sorge, das Problem ist beherrschbar, wenn man die Zusammenhänge versteht und die richtigen Vorkehrungen trifft.
Dieser Artikel ist dein umfassender Leitfaden im Kampf gegen Feuchtigkeitsblasen. Ich erkläre dir genau, wie es zu dieser Art von Blasenbildung kommt und welche Ursachen dahinterstecken. Du lernst die entscheidenden Methoden kennen, um sie von vornherein zu vermeiden. Und sollte das Problem bei einem Projekt bereits aufgetreten sein, zeige ich dir Schritt für Schritt, was du tun kannst, um den Schaden professionell und dauerhaft zu beheben.
Inhaltsverzeichnis

Was genau passiert bei der feuchtigkeitsbedingten Blasenbildung?
Um zu verstehen, wie diese Blasen entstehen, musst du dir den Prozess der Osmose vorstellen. Es klingt kompliziert, ist aber ein grundlegendes Prinzip der Natur. Ein Lackfilm, auch wenn er vollständig ausgehärtet ist, ist niemals eine hundertprozentig dichte Barriere. Man kann ihn sich eher wie eine Haut oder eine extrem feine Membran vorstellen, die „atmet“. Das bedeutet, sie ist halbdurchlässig (semipermeabel) und lässt winzige Moleküle, wie Wasserdampf aus der Umgebungsluft, langsam hindurchwandern.
Der eigentliche Lackierfehler beginnt aber schon viel früher, nämlich durch winzige, wasserlösliche Verunreinigungen, die auf dem Untergrund zurückbleiben. Das können Salze von einem Fingerabdruck sein, Reste von ungeeigneten Reinigungsmitteln oder Schleifstaub, der nicht vollständig entfernt wurde. Wenn nun die Feuchtigkeit aus der Luft durch den Lackfilm wandert und auf eine dieser Verunreinigungen trifft, löst sie diese auf. An dieser Stelle entsteht eine winzige, hochkonzentrierte Salzlösung direkt unter deinem Lack.
Jetzt kommt die Osmose ins Spiel: Die Natur strebt immer nach einem Ausgleich. Da die Konzentration der Salzlösung unter dem Lack viel höher ist als die der umgebenden Feuchtigkeit, entsteht ein osmotischer Druck. Das System versucht, die konzentrierte Lösung zu verdünnen, indem es aktiv mehr Wasser durch die Lack-Membran an genau diese Stelle zieht. Dieser Prozess wirkt wie eine unaufhaltsame Pumpe. Es sammelt sich immer mehr Flüssigkeit an, der Druck auf die Lackschicht wächst und hebt sie schließlich vom Untergrund ab. Die sichtbare, mit Flüssigkeit gefüllte Blase ist das Endergebnis dieses schleichenden Prozesses, der oft erst lange nach der Lackierung sichtbar wird.
Welche Ursachen hat feuchtigkeitsbedingte Blasenbildung?
Die Osmose ist zwar der auslösende Mechanismus, aber die eigentlichen Fehlerquellen liegen im Lackierprozess und in der Umgebung. Wenn du diese potenziellen Gefahren kennst, kannst du sie gezielt ausschalten. Hier sind die häufigsten Ursachen, die du unbedingt im Blick haben solltest:
- Mangelhafte Untergrundreinigung: Dies ist eine der Hauptursachen. Werden Oberflächen vor dem Lackieren nicht gründlich mit einem geeigneten Silikonentferner gereinigt, bleiben oft unsichtbare, wasserlösliche Rückstände zurück. Schweiß von Fingerabdrücken, Salze, Fette oder Reste von Polituren sind die perfekte Nahrung für die Blasenbildung.
- Zu hohe Luftfeuchtigkeit: Lackierarbeiten bei einer relativen Luftfeuchtigkeit von über 65-70 % sind extrem riskant. Die Luft selbst ist dann mit Wasser gesättigt, das sich auf der Oberfläche niederschlagen und in die Lackschichten eingeschlossen werden kann. Besonders an schwülen Tagen ist hier höchste Vorsicht geboten.
- Verunreinigte Druckluft: Wenn der Kompressor nicht über einen funktionierenden Wasser- und Ölabscheider verfügt, gelangen winzige Wasser- und Öltröpfchen direkt mit dem Spritzstrahl auf die Oberfläche. Diese Einschlüsse sind eine tickende Zeitbombe unter dem Lack.
- Kondenswasser auf kalten Bauteilen: Bringst du ein kaltes Fahrzeug oder Bauteil in eine warme, feuchte Werkstatt, bildet sich sofort ein unsichtbarer Feuchtigkeitsfilm auf der Oberfläche. Wird darüber lackiert, ist der Schaden vorprogrammiert. Das Bauteil muss immer zuerst die Umgebungstemperatur annehmen.
- Falsche Trocknung von wasserbasierten Materialien: Werden wasserbasierte Grundierungen, Füller oder Basislacke nicht vollständig und gemäß den Herstellerangaben getrocknet, bleibt Restfeuchtigkeit im System eingeschlossen. Der darüber lackierte Klarlack versiegelt diese Feuchtigkeit dann und der Prozess der Blasenbildung beginnt.
Wenn du die Ursachen kennst, weißt du zum Glück auch genau, wie du einen solchen Lackierfehler vermeiden kannst.
Wie kannst du feuchtigkeitsbedingte Blasenbildung vermeiden?
Gute Nachrichten: Dieser Lackierfehler ist zu absolut vermeidbar. Es erfordert lediglich Sorgfalt und die Einhaltung der richtigen Prozessschritte. Wenn du die folgenden Punkte konsequent beachtest, gibst du der Blasenbildung keine Chance. Betrachte es als deine Checkliste für deine nächste Lackierung.
- Temperiere das Bauteil: Sorge immer dafür, dass das zu lackierende Teil die gleiche Temperatur wie deine Lackierumgebung hat. Plane dafür genügend Zeit ein, besonders im Winter. So verhinderst du die Bildung von Kondenswasser.
- Reinige extrem gründlich: Die Vorbereitung ist alles. Reinige die Oberfläche vor jedem Arbeitsschritt, also vor dem Schleifen, vor dem Füllern und vor dem Decklack, mit einem hochwertigen Silikonentferner und sauberen Tüchern. Wechsle die Tücher häufig. Trage nach der Endreinigung Handschuhe, um keine neuen Fingerabdrücke zu hinterlassen.
- Kontrolliere das Klima: Behalte die Luftfeuchtigkeit im Auge. Investiere in ein Hygrometer für deine Werkstatt oder Lackierkabine. Liegt der Wert dauerhaft über 65 %, solltest du die Lackierarbeiten verschieben oder für eine technische Trocknung der Luft sorgen. Lackiere niemals bei Nebel oder an extrem schwülen Tagen.
- Warte deine Druckluftanlage: Überprüfe regelmäßig die Wasser- und Ölabscheider an deinem Kompressor und an der Lackierpistole. Entleere sie täglich. Nur so stellst du sicher, dass deine Druckluft absolut sauber, trocken und ölfrei ist.
- Halte Ablüftzeiten exakt ein: Gib jeder einzelnen Lackschicht, insbesondere wasserbasierten Materialien, die vom Hersteller vorgegebene Zeit zum Trocknen. Ungeduld ist hier dein größter Feind. Verwende bei Bedarf technische Hilfsmittel wie Venturi-Gebläse, aber achte auch hier auf die Herstellerangaben, um die Trocknung nicht negativ zu beeinflussen.
Doch was tust du, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist und du Blasen auf deiner frischen Lackierung entdeckst? Auch dafür gibt es einen klaren Plan.
Was kannst du machen, wenn es schon passiert ist? – Die Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Reparatur
Wenn du Blasen auf deiner Lackierung entdeckst, müssen wir ehrlich sein: Es gibt keine schnelle Lösung oder einen cleveren Trick. Du kannst die Blasen weder wegschleifen noch wegpolieren. Jeder Versuch, den Fehler oberflächlich zu kaschieren, wird scheitern, da die Ursache – die eingeschlossene Feuchtigkeit – tief im Lackaufbau sitzt. Die Blasen werden immer wiederkommen.
Der entscheidende Punkt ist jedoch: Der Schaden ist vollständig reparabel, auch wenn es einen kompletten und sorgfältigen Neuaufbau der Lackierung im betroffenen Bereich bedeutet. Betrachte es als Chance, es diesmal perfekt zu machen. Hier ist die Vorgehensweise im Detail:
- 1. Schadensanalyse und Vorbereitung: Markiere den Bereich großzügig um die sichtbaren Blasen. Du musst weit über den eigentlichen Schaden hinaus arbeiten. Klebe die angrenzenden Karosserieteile sorgfältig ab, um sie vor Schleifstaub und Lacknebel zu schützen.
- 2. Vollständiges Entfernen bis zum gesunden Grund: Schleife den Lack im gesamten markierten Bereich bis auf den blanken, gesunden Untergrund ab. Das kann das blanke Blech oder eine absolut stabile, intakte Werksgrundierung sein. Beginne mit einer gröberen Körnung (z. B. P80-P120) und arbeite dich zu einer feineren Körnung (z. B. P180-P240) vor. Achte darauf, die Ränder der Schleifstelle sauber auszuschleifen („beizuschleifen“), um einen weichen Übergang zu schaffen. Nur so stellst du sicher, dass wirklich alle kontaminierten Schichten restlos entfernt sind.
- 3. Gründliche Reinigung: Dieser Schritt ist nicht verhandelbar. Reinige die freigelegte, blanke Stelle extrem sorgfältig und mehrfach mit einem hochwertigen Silikonentferner und sauberen Mikrofasertüchern. Jeder noch so kleine Fettfleck oder Schmutzpartikel kann die Haftung der neuen Lackschichten ruinieren.
- 4. Der Neuaufbau – Schicht für Schicht zum neuen Lackaufbau: Jetzt baust du die Lackierung von Grund auf neu auf. Eile ist hier dein Feind.
- Korrosionsschutz: Trage zuerst eine passende Grundierung auf das blanke Blech auf. Diese Schicht versiegelt das Metall, schützt es vor Rost und schafft eine perfekte, isolierende Barriere gegen Feuchtigkeit.
- Füller auftragen: Nach der vom Hersteller vorgegebenen Trocknungszeit der Grundierung folgt der Füller. Seine Aufgabe ist es, die letzten kleinen Unebenheiten vom Schleifen zu füllen und eine glatte Oberfläche für den Basislack zu schaffen. Trage mehrere dünne Schichten auf und halte dich exakt an die Ablüftzeiten.
- Füller schleifen: Nach der vollständigen Trocknung wird der Füller glatt geschliffen (z.B. mit P400-P600 Nassschliff).
- Basislack und Klarlack: Reinige die Fläche erneut und trage dann den Basislack und abschließend den Klarlack auf. Halte dich bei jedem einzelnen Schritt penibel an alle zuvor genannten Regeln zur Vermeidung von Feuchtigkeitseinschlüssen und beachte exakt die technischen Merkblätter der verwendeten Produkte.
Du siehst also, die Reparatur ist kein Zuckerschlecken und erfordert einen kompletten Neuanfang. Um dir in Zukunft nicht nur diesen, sondern auch andere kleine Ärgernisse zu ersparen, haben wir noch ein paar allgemeine Tipps und Tricks für dich gesammelt.
Tipps & Tricks – Kleine Helfer, große Wirkung
Neben den spezifischen Regeln zur Vermeidung von Feuchtigkeitsblasen gibt es ein paar allgemeine Grundsätze und Hilfsmittel, die dir das Leben in der Werkstatt erheblich erleichtern und die Qualität deiner Arbeit steigern können.
- Investiere in ein Hygrometer: Dieses kleine Gerät misst die relative Luftfeuchtigkeit und die Temperatur in deinem Arbeitsbereich. Es ist ein unschätzbares Werkzeug, um die Bedingungen objektiv zu bewerten. So musst du dich nicht auf dein Bauchgefühl verlassen und weißt genau, wann die Bedingungen kritisch sind.
- Der „kalte Spiegel“-Test: Wenn du unsicher bist, ob ein Bauteil kalt und feucht ist, nimm einen kleinen, sauberen Spiegel und halte ihn für ein paar Sekunden direkt an die Oberfläche. Beschlägt er, ist das ein klares Zeichen dafür, dass das Bauteil zu kalt ist und sich Kondenswasser gebildet hat. In diesem Fall: Finger weg vom Lackieren!
- Materialien richtig lagern: Alle deine Lackmaterialien, vom Füller bis zum Klarlack, sollten immer in einem trockenen, temperierten Raum gelagert werden. Eine kalte Garage ist der falsche Ort. Kaltes Material verarbeitet sich schlechter und fördert ebenfalls die Kondenswasserbildung.
- Druckluftanlage ist König: Deine Druckluft ist eine der häufigsten Fehlerquellen. Warte deine Anlage regelmäßig, entleere täglich den Wasserabscheider am Kompressor und stelle sicher, dass deine Wartungseinheit an der Lackierkabine einwandfrei funktioniert. Ein hochwertiger Feinfilter direkt vor der Lackierpistole ist eine zusätzliche, goldwerte Absicherung.
- Geduld bei der Vorbereitung: Die Zeit, die du in eine makellose Vorbereitung investierst, sparst du dir doppelt und dreifach bei der Nacharbeit. Sei penibel beim Reinigen und Schleifen. Jede Abkürzung hier rächt sich später.
Mit diesen zusätzlichen Kniffen im Hinterkopf bist du bestens gerüstet. Fassen wir zum Abschluss noch einmal die wichtigsten Punkte zusammen, um das Gelernte zu festigen.
Fazit – Dein Wissen für eine professionelle Lackierung
Die feuchtigkeitsbedingte Blasenbildung ist ohne Zweifel einer der ärgerlichsten und aufwendigsten Lackierfehler. Sie entsteht nicht durch einen einzelnen, unachtsamen Moment, sondern ist das Ergebnis von ungünstigen Umgebungsbedingungen und einer Prozesskette, in der Feuchtigkeit die Chance hatte, sich unbemerkt einzuschleichen.
Die wichtigste Erkenntnis ist: Dieser Fehler ist zu 100 % vermeidbar. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der Kontrolle deiner Umgebung und der peniblen Einhaltung der Verarbeitungsvorschriften. Die Investition in ein Hygrometer, die sorgfältige Temperierung von Bauteilen und Lackmaterialien sowie eine absolut saubere und trockene Druckluft sind keine optionalen Luxusgüter, sondern die fundamentalen Grundlagen für eine haltbare und professionelle Lackierung.
Sollte es dich doch einmal erwischt haben, weißt du nun, dass es keine Abkürzungen gibt. Nur der konsequente und vollständige Neuaufbau der Lackschichten führt zu einem dauerhaft zufriedenstellenden Ergebnis.
Wir hoffen, dieser Leitfaden hat dir nicht nur das nötige Wissen an die Hand gegeben, um feuchtigkeitsbedingte Blasenbildung in Zukunft sicher zu vermeiden, sondern auch das Verständnis für die komplexen Prozesse geschärft, die hinter einer makellosen Lackierung stecken.
Weiter Lackierfehler findest du hier: Lackierfehler von A-Z: Erkennen, beheben & einfach vermeiden