Ein ärgerlicher Lackierfehler – und wie man ihn in den Griff bekommt
Jeder, der lackiert, kennt das frustrierende Gefühl: Die Vorarbeit war perfekt, doch nach dem Trocknen ist der frische Lack von kleinen Kratern und Bläschen übersät. Dieses bekannte Ärgernis wird auch als Kocher bezeichnet und ist einer der häufigsten Lackierfehler überhaupt.
Doch Kocher sind kein Zufall oder Pech. Sie sind das klare und sichtbare Ergebnis eines Fehlers im Lackier- und Trocknungsprozess. Einfach gesagt: Irgendetwas hat die korrekte Aushärtung des Lackes gestört. Die gute Nachricht ist: Wenn man die Ursachen kennt, kann man sie gezielt vermeiden.
In diesem Beitrag führen wir dich Schritt für Schritt durch das Thema. Wir erklären genau, was Kocher sind, welche Fehler zu ihrer Entstehung führen und mit welchen Methoden du sie in Zukunft verhindern kannst. Und falls es doch mal passiert, zeigen wir dir natürlich auch, wie du sie wieder loswirst.
Inhaltsverzeichnis

Was genau sind Kocher?
Stell dir vor, du trägst eine frische Schicht Lack auf. In diesem Lack befinden sich Lösemittel, die verdunsten müssen, damit die Schicht aushärten kann. Ein Kocher entsteht, wenn die Oberfläche des Lacks schneller trocknet als die Schicht darunter. Dadurch bildet sich eine Art feste Haut, die die restlichen Lösemittel unter sich einschließt.
Diese eingeschlossenen Lösemittel wollen aber immer noch an die Luft. Sie gasen aus, der Druck unter der Lackhaut steigt an, und irgendwann ist er so stark, dass er die bereits angetrocknete Oberfläche von innen heraus durchbricht. Das Ergebnis dieser kleinen „Eruption“ ist ein typischer Kocher.
Wichtig: Kocher dürfen nicht mit sogenannten Silikonkratern (oft auch Fischaugen genannt) verwechselt werden. Während Kocher von innen heraus durch eingeschlossene Gase entstehen, sind Fischaugen eine Reaktion des nassen Lacks auf eine Verunreinigung auf der Oberfläche (z.B. Silikon, Fett, Wachs). Der Lack zieht sich an dieser verunreinigten Stelle sofort nach dem Auftrag zurück.
Kurz gesagt: Kocher entstehen während der Trocknung, Fischaugen direkt beim Lackieren.
Je nachdem, in welchem Zustand sich der Lack in diesem Moment befindet, sehen die Kocher unterschiedlich aus:
- Blasen: Wenn der Lack noch etwas elastisch ist, wölbt er sich nur nach oben.
- Nadelstiche: Das sind winzige, tiefe Löcher. Sie entstehen, wenn eine Blase platzt, der Lack aber schon zu fest ist, um die offene Stelle wieder zu schließen.
- Krater: Größere, offene Stellen mit einem kleinen Rand. Sie entstehen, wenn der Gasaustritt besonders stark und plötzlich war.
Wenn du diesen Prozess verstanden hast, bist du schon auf dem besten Weg, diesen Lackierfehler in Zukunft zu vermeiden.
Welche Ursachen haben Kocher?
Nachdem wir nun wissen, was Kocher sind, schauen wir uns an, warum sie überhaupt entstehen. Fast immer ist die Ursache ein Ungleichgewicht im Trocknungsprozess, die Oberfläche trocknet einfach zu schnell. Hier sind die häufigsten Übeltäter, die zu diesem Problem führen:
Zu dicke Lackschichten
Das ist die absolute Hauptursache. Je dicker du den Lack aufträgst, desto länger ist der Weg, den die Lösemittel an die Oberfläche zurücklegen müssen. Wenn du die im technischen Merkblatt angegebene maximale Schichtdicke überschreitest, sind Kocher praktisch vorprogrammiert.
Falsche Materialauswahl
Lack, Härter und Verdünnung müssen zu den Umgebungsbedingungen passen. Wenn du an einem heißen Sommertag einen „schnellen“ Härter verwendest, der für kühle Temperaturen gedacht ist, zwingst du die Lackoberfläche quasi dazu, sich zu schnell zu schließen.
Zu kurze Ablüftzeiten
Geduld ist beim Lackieren eine Tugend. Wenn du zwischen den einzelnen Spritzgängen nicht die vorgegebene Zeit wartest, schließt die nächste Lackschicht die noch nicht verdunsteten Lösemittel der darunterliegenden Schicht ein. Das Gleiche gilt für die Endablüftzeit, bevor der Lack in den Ofen oder unter den IR-Strahler kommt.
Ungünstige Umgebungsbedingungen
Eine hohe Umgebungstemperatur beschleunigt die Oberflächentrocknung enorm. Kommt dann noch eine hohe Luftfeuchtigkeit hinzu, die das Verdunsten der Lösemittel verlangsamt, hast du die perfekte Kombination für die Entstehung von Kochern.
Fehler in der Applikation
Auch die Handhabung der Lackierpistole spielt eine Rolle. Ein zu niedriger Spritzdruck, eine zu große Düse oder ein zu geringer Abstand zum Objekt können dazu führen, dass die aufgetragene Schicht von vornherein zu dick und ungleichmäßig wird.
Wie du siehst, führen viele Wege zu Kochern im Lack. Die gute Nachricht ist jedoch: Wenn du diese Ursachen kennst, kannst du sie auch gezielt vermeiden.
Wie kann man Kocher vermeiden?
Am besten ist es natürlich, wenn Kocher gar nicht erst die Chance bekommen, dein Lackierergebnis zu ruinieren. Die gute Nachricht ist: Das hast du selbst in der Hand. Mit einer sauberen und bewussten Arbeitsweise kannst du das Risiko auf ein Minimum reduzieren. Hier sind die wichtigsten Punkte, auf die du achten solltest:
Das technische Merkblatt ist dein bester Freund
Es mag langweilig klingen, aber lies es und halte dich daran. Kein Dokument gibt dir präzisere Anweisungen zu den richtigen Schichtdicken, den passenden Härtern und Verdünnern sowie den exakten Ablüftzeiten. Das ist die wichtigste Regel von allen.
Passende Materialien für die jeweilige Temperatur wählen
Prüfe die Temperatur und Luftfeuchtigkeit in deiner Kabine oder Werkstatt und wähle Härter und Verdünner entsprechend aus. Die Hersteller bieten nicht umsonst verschiedene „Geschwindigkeiten“ an. Diese kleine Entscheidung hat einen riesigen Einfluss auf den Trocknungsverlauf.
Falls du mit Standard-Materialien arbeitest, schau dir doch mal unsere Lackier-Ampel an. Dort kannst du deine aktuelle Temperatur und Relative Luftfeuchte eingeben und bekommst konkrete Empfehlungen.
Den Untergrund sorgfältig vorbereiten
Stelle sicher, dass darunterliegende Schichten wie Spachtel oder Füller wirklich zu 100 % durchgetrocknet sind. Eingeschlossene Lösemittel aus alten Schichten können auch später noch für Probleme sorgen und nach oben „durchschlagen“.
Kontrolliert und in dünnen Schichten lackieren
Trage den Lack lieber in mehreren dünnen, geschlossenen Spritzgängen auf, anstatt zu versuchen, in einem Durchgang alles abzudecken. Gib dem Lack zwischen den Gängen die vorgeschriebene Zeit zum Ablüften.
Geduld vor dem Einbrennen beweisen
Bevor das frisch lackierte Teil in den Ofen kommt oder mit Infrarot getrocknet wird, muss die Endablüftzeit unbedingt eingehalten werden. Diese „Verschnaufpause“ gibt den Lösemitteln die Chance, kontrolliert zu entweichen, bevor die Hitze die Oberfläche versiegelt.
Mit diesen Punkten bist du bestens gerüstet, um Kocher von vornherein zu vermeiden.
Was kann man machen, wenn es schon passiert ist?
Trotz aller Vorsicht und bester Vorbereitung kann es passieren: Man entdeckt Kocher im frischen Lack. Das ist im ersten Moment extrem ärgerlich, aber in den meisten Fällen kein irreparabler Schaden. Bevor du jedoch handelst, ist Geduld der wichtigste Ratgeber. Der Lack muss vollständig ausgehärtet sein, bevor du mit der Reparatur beginnst, sonst richtest du mehr Schaden an, als du behebst.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, das Ausmaß des Schadens ehrlich zu bewerten. Handelt es sich nur um ein paar oberflächliche Störenfriede oder ist die gesamte Lackschicht instabil und porös? Davon hängt die Wahl der richtigen Reparaturmethode ab.
Methode 1: Die kosmetische Reparatur bei leichten, oberflächlichen Kochern
Diese Methode eignet sich, wenn du nur vereinzelte Nadelstiche oder kleine, geschlossene Bläschen im Klarlack hast. Das Ziel ist es, nur die Spitzen der Kocher abzutragen und die Oberfläche zu glätten, ohne den gesamten Lackaufbau zu erneuern.
Voraussetzung: Der Fehler befindet sich klar in der obersten Schicht (dem Klarlack) und ist nicht zu tief.
Vorgehensweise Schritt für Schritt:
- 1. Vorbereitung und Reinigung: Reinige die betroffene Stelle gründlich, um sicherzustellen, dass keine Schmutzpartikel beim Schleifen neue Kratzer verursachen.
- 2. Der Nassschliff:
- Verwende einen Schleifblock und sehr feines Nassschleifpapier. Beginne mit einer Körnung von P1500 oder P2000.
- Befeuchte die Stelle und das Schleifpapier kontinuierlich mit Wasser (am besten mit einer Sprühflasche und einem zusätzlichen Tropfen Spülmittel). Der Nassschliff kühlt, verhindert das Zusetzen des Papiers und bindet den Schleifstaub.
- Schleife mit leichtem, gleichmäßigem Druck nur so viel, bis die „Spitzen“ der Kocher verschwunden sind und du eine einheitlich matte Oberfläche hast. Kontrolliere das Ergebnis zwischendurch, indem du die Fläche trockenwischst.
- 3. Feinschliff (optional, aber empfohlen): Um das anschließende Polieren zu erleichtern, kannst du nach dem ersten Schleifgang mit einer noch feineren Körnung (z. B. P3000) nacharbeiten.
- 4. Polieren:
- Jetzt kommt die Poliermaschine zum Einsatz. Beginne mit einer groben Schleifpolitur und einem härteren Pad, um die Schleifspuren von der P1500/P2000-Körnung zu entfernen.
- Arbeite dich schrittweise zu einer feineren Hochglanz- oder Anti-Hologramm-Politur mit einem weicheren Pad vor, bis der gewünschte Glanzgrad wieder vollständig erreicht ist.
Methode 2: Der Neuaufbau bei schweren, großflächigen Kochern
Wenn die Oberfläche großflächig von tiefen Kratern und Blasen durchsetzt ist, ist eine kosmetische Reparatur sinnlos. Die Poren deuten auf eine instabile Lackschicht hin. Hier hilft nur ein konsequenter Neuaufbau, um ein dauerhaft professionelles Ergebnis zu sichern.
Vorgehensweise Schritt für Schritt:
- 1. Abkleben und Vorbereiten: Klebe den zu reparierenden Bereich großzügig ab, um die umliegenden, intakten Lackflächen zu schützen.
- 2. Abschleifen:
- Nun muss der beschädigte Lack restlos entfernt werden. Nutze hierfür einen Exzenterschleifer mit einer geeigneten Körnung (z. B. P240 – P400), um Klarlack und Basislack bis auf den stabilen Untergrund (Füller oder Grundierung) abzutragen.
- Achte darauf, die Schleifstelle zu den Rändern hin sanft auslaufen zu lassen („ausfedern“), um harte Kanten zu vermeiden, die man später sehen würde.
- 3. Vorbereitung für den Neuaufbau:
- Schleife die gesamte Fläche und die Übergangsbereiche mit einer feineren Körnung (z. B. P500 oder P600) nach, um eine gute Basis für die Neulackierung zu schaffen.
- Reinige den Bereich anschließend gründlich mit Silikonentferner.
- 4. Neulackierung:
- Baue den Lack von dieser sauberen und stabilen Basis aus komplett neu auf. Das bedeutet: Füller (falls nötig), Basislack und Klarlack.
- Halte dich dabei diesmal peinlich genau an alle Regeln, die wir im Abschnitt „Wie kann man Kocher vermeiden?“ besprochen haben: korrekte Schichtdicken, passende Materialien und ausreichende Ablüftzeiten.
Diese zweite Methode ist zwar deutlich aufwendiger, aber der einzig richtige Weg, um einen schweren Kocher-Befall dauerhaft und qualitativ hochwertig zu reparieren.
Tipps & Tricks
Neben den grundlegenden Regeln gibt es ein paar Kniffe und Denkanstöße, die dir helfen können, Kocher endgültig aus deinem Lackieralltag zu verbannen. Manchmal sind es die kleinen Details, die über ein perfektes Ergebnis entscheiden.
Tipp 1: Miss die Bauteiltemperatur!
Die Temperatur in der Lackierkabine ist wichtig, aber die Temperatur des zu lackierenden Bauteils ist oft entscheidender. Ein kaltes Auto, das in eine warme Kabine geschoben wird, braucht Zeit, um sich zu akklimatisieren. Lackierst du auf eine zu kalte Oberfläche, verlangsamt das die Verdunstung der Lösemittel im Untergrund, eine perfekte Voraussetzung für Kocher. Ein Infrarot-Thermometer ist hier eine lohnende Investition.
Tipp 2: Luftbewegung kontrollieren
Eine zu starke, direkte Luftzirkulation (z. B. durch einen falsch eingestellten Zuluftstrom) kann die Lackoberfläche ebenfalls zu schnell antrocknen lassen. Achte darauf, dass die Luft in der Kabine sanft und gleichmäßig zirkuliert und nicht wie ein Föhn direkt auf das frisch lackierte Teil bläst.
Tipp 3: Kenne deine Produkte
Nicht jeder Lack verhält sich gleich. Wasserbasislacke haben oft andere Ablüft- und Trocknungseigenschaften als konventionelle Lacksysteme. Nimm dir die Zeit, die spezifischen Eigenschaften der von dir verwendeten Produkte genau kennenzulernen. Manchmal hilft schon eine um wenige Minuten verlängerte Ablüftzeit, um Probleme zu vermeiden.
Tipp 4: Geduld ist dein bester Freund
Dieser Punkt kann nicht oft genug betont werden. Lackierfehler passieren oft aus Ungeduld. Der Drang, schnell fertig zu werden, führt zu dickeren Schichten und kürzeren Ablüftzeiten. Plane deine Arbeitsschritte so, dass du nicht unter Zeitdruck gerätst. Ein paar Minuten extra für das Ablüften sind weitaus weniger aufwendig als das stundenlange Beheben von Kochern am nächsten Tag.
Letztendlich laufen all diese Tipps auf ein zentrales Thema hinaus: die volle Kontrolle über den Lackierprozess.
Fazit: Kontrolle ist alles
Wie wir gesehen haben, sind Kocher im Lack kein Zufallsprodukt, sondern das direkte Ergebnis eines gestörten Trocknungsprozesses. Sie entstehen, wenn die Lackoberfläche schneller aushärtet als die Schichten darunter und eingeschlossene Lösemittel sich ihren Weg nach draußen bahnen.
Die häufigsten Ursachen – zu dicke Schichten, unpassende Materialien oder zu kurze Ablüftzeiten – lassen sich allesamt durch eine saubere und bewusste Arbeitsweise vermeiden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt nicht in der nachträglichen Reparatur, sondern in der präventiven Prozesskontrolle. Das sorgfältige Studieren des technischen Merkblatts, Geduld bei den Ablüftzeiten und die richtige Materialwahl sind die mächtigsten Werkzeuge gegen diesen Lackierfehler.
Sollte es doch einmal passieren, gibt es Wege zur Korrektur, doch am Ende gilt: Eine professionelle Lackierung zeigt sich nicht darin, wie gut man Fehler ausbessern kann, sondern darin, dass sie gar nicht erst entstehen.
Weiter Lackierfehler findest du hier: Lackierfehler von A-Z: Erkennen, beheben & einfach vermeiden